Wer in den Alpen seinen Urlaub verbringt, dem begegen mit etwas Glück einige dort heimischen Tiere. Hier haben wir mal einige Bewohner für Euch herausgepickt (mit dem Wissen lässt sich auf jeder Bergwanderung gut angeben 😉 ):
Der Alpensteinbock
Der Alpensteinbock (Capra ipex) war bis zum 15. Jahrhundert in den europäischen Alpenregionen noch stark verbreitet und fand dort optimale Lebensbedingungen vor. Das änderte sich in den nachfolgenden Jahrhunderten dramatisch, er wurde zum Opfer einer skrupellosen Verfolgung durch den Menschen. Mitte des 17. Jahrhunderts verschwand der König der Alpen aus vielen Bergregionen, sein Vorkommen und seine Anzahl war bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhundert sehr stark zurückgegangen. Nur wenige Tierarten haben ein so bewegendes und ungewöhnliches Schicksal erlebt wie der Alpensteinbock.
Bereits die Römer brachten eine große Anzahl an gefangenen Steinböcken aus den Alpen zu den beliebten Kampfspielen nach Rom. Die Ausrottung dieser Tierart begann aber bereits im Mittelalter. Die Medizin und der Aberglaube schrieben dem Steinwild geheimnisvolle, ungewöhnliche Heilkräfte zu. Die Sagen und Legenden, die sich um den Steinbock rankten, hatten über Jahrhunderte hinweg fatale Auswirkungen auf diese Tierart. Der Steinbock wurde zur Volksapotheke, man verwertete alle Körperorgane sogar sein Blut wurde gegen Blasensteine und sein Kot gegen Schwindsucht eingesetzt.
Mit dem Vertrieb von Wundermitteln gegen allerlei Krankheiten konnte man zu damaligen Zeit viel Geld verdienen. Durch Jagd und Wilderei war der Steinbock im 17. Jahrhundert fast ausgerottet. Welche Tierart kann schon in einer Höhe bis zu 4000 Meter überleben, jenseits der Waldgrenze, in eisigen Höhen bei winterlichen Temperaturen? Aber auch in dieser Zeit findet der Steinbock seine mageren Nahrungsangebote unter dem Schnee in Form von Flechten und zähem Gras. In harten Wintern wandert er oft bis an 40 Kilometer langen Graten vorbei oder sucht in tiefer gelegenen Gebieten nach Nahrung zum Überleben.
Er ist ein exzellenter Kletterer der sich in sehr steilen, felsigen Hängen im Gebirge leichtfüßig und garzellenartig bewegt. Seine kräftigen Füße, die zu paarigen Hufen geformt sind, bestehen aus einer harten Hornschale und einer weichen Lauffläche. Diese sorgen für einen griffigen und guten Halt auf felsigen Untergrund und dienen gleichzeitig als Polsterung bei Sprüngen. Seine mächtigen säbelförmigen Hörner die bis zu einem Meter lang werden und sein massiger, kräftiger Rumpf verleihen seinem Aussehen etwas Anmutiges, Erhabenes und Majestätisches.
Er kann eine Kopfrumpflänge bis 150 cm und eine Schulterhöhe von 90 cm erreichen und sein Gewicht kann über 100 kg betragen. Ein weiteres, wenn auch weniger markantes Merkmal ist sein Ziegenbart. Der Steinbock gehört zu der Gattung der Ziegen, die wiederum verschiedene Unterarten bilden. Zu ihnen zählen die Bezoarziege, die Wildziege, der Ost- und Westkaukasische Steinbock, der Nubische- oder Abessinische Steinbock. Sein Schwanz dagegen ist sehr kurz, er beträgt gerade mal 15 cm. Sein dichtes Fell das ihn im Winter vor Kälte schützt ist im Sommer rot-braun und im Winter grau bis dunkelgrau gefärbt. Damit sie sich an steilen Hängen sicher bewegen können sind ihre Hinterbeine länger als ihr Vorderbeine.
Der Alpensteinbock war zu allen Zeiten das Symboltier der Alpen. Man findet seinen Namen bereits im Alten Testament und auf Bildsymbolen im Alten Orient. Er symbolisiert den Drang nach einem intensiven und unbegrenzten Leben. Einer der ältesten Zeugnisse für den Steinbock, eine Stirnplatte mit Hornzapfen, stammt aus der vorletzten Eiszeit vor circa 130.000 Jahren. Weitere Steinbockfunde stammen von der schwäbischen und fränkischen Alp. Die ältesten bisher bekanntesten Steinbockmalereien sind fast 30.000 Jahre alt, man fand sie in der Höhle Chauvet-Pont-d’Arc an der Rhone.
Nach seiner fast völligen Ausrottung begann vor über hundert Jahren seine Wiederansiedlung. Es ist vor allem Schweizer Zuchtstationen zu verdanken, die Anfang des 19. Jahrhundert von Wilderern aus dem Aostatal junge Steinböcke aufkauften um sie wieder anzusiedeln. Um 1911 fand die erste Freiland-Aussetzung in der Schweiz statt und es folgten weitere im gesamten Alpenraum. Heute schätzt man die gesamte Steinbock-Population im Alpenraum auf ca. 40.000 Tiere.
Das Alpenmurmeltier
Welcher Bergwanderer kennt die kleinen Nager nicht, diese possierlichen, wieselflinken pfeifenden Kerlchen im grau-braunen Pelz. Man begegnet ihnen an sonnigen Lagen in Höhen von 800 bis 3000 Metern und es gräbt Gänge bis über 100 Meter Länge und bis zu 7 Meter Tiefe. Bereits die alten Römer gaben diesem possierlichen Tier den Namen „mus montis“, Bergmaus.
Diese Tiere können je nach Art bis zu 50 Zentimeter lang werden, ihr buschiger Schwanz hat eine Länge von bis zu 25 Zentimetern. Ihr Gewicht kann bis zu 8 Kilogramm betragen und der Pelz ist meistens grau-braun. Backen und Ohren sind im Vergleich zum Körperbau und zu anderen Nagern sehr klein. Zudem besitzen sie sehr gut ausgebildete Nagezähne. Da sie sehr große Nahrungsmengen zu sich nehmen, nutzen sich ihre Zähne sehr schnell ab. Gegenüber dem Menschen und anderen Arten haben sie jedoch einen großen Vorteil: ihre Zähne wachsen ein Leben lang nach. Auch brauchen sie ihr ganzes Leben lang nichts zu trinken, da die Flüssigkeit, die sie durch ihre Nahrung aufnehmen, ausreicht.
Das wohl bekannteste der 14 Arten ist das Alpenmurmeltier. Es kommt vorwiegend – wie bereits der Name sagt – in den Alpen vor. Andere Arten findet man zum Beispiel in den Pyrenäen, den Karpaten, in Asien und Nordamerika. Die meisten Murmeltierarten leben in großen Kolonien, die aus bis zu 200 Tieren bestehen können. Chef einer solchen Kolonie ist immer ein Männchen. Es kontrolliert und markiert die Grenzen seines Reviers, indem es seine Backen an kleinen Steinen reibt und dabei einen Geruch absondert.
Sie sind sehr gesellige Tiere und helfen sich gegenseitig, ob beim Putzen oder beim gegenseitigen Wärmen während des Winterschlafes. Bei Gefahr stößt es einen grellen Warnlaut aus, der sich wie ein Pfiff anhört. In Wirklichkeit ist das Pfeifen jedoch ein Warnschrei, der im Kehlkopf erzeugt wird, indem das Murmeltier das Maul weit aufmacht und seine Zunge ganz weit nach hinten in den Hals legt.
Jeweils im September beginnt der Winterschlaf der Murmeltiere. In dieser Zeit nehmen sie keine Nahrung mehr auf und leben von den Fettreserven, die sie sich im Sommer angelegt haben. Im Bau kuschelt sich die ganze Familie ganz eng aneinander und steckt ihre Köpfe zwischen die Beine. Um Energie zu sparen, senken sie ihre Körpertemperatur bis unter acht Grad und atmen dabei nur noch zweimal pro Minute. Zudem verringert sich ihr Herzschlag von 200 Schlägen auf ca. 20 Schläge pro Minute. Nach ca. sechs Monaten, wenn es draußen wieder wärmer wird, beenden sie ihren Winterschlaf und beginnen mit der Säuberung ihres Baues.
Die Alpendohle – Flugkünstler und Allesfresser
Welcher Bergwanderer kennt diesen kleinen, neugierigen, geselligen und zutraulichen Vogel nicht? Die schwarzen Flugkünstler mit ihrem markanten kurzen, gelben Schnabel und roten Beinchen leben oberhalb der Baumgrenze bis zu einer Höhe von 3000 bis 4000 Metern. Die Alpendohlen, auch Bergdohlen genannt, sind weit verbreitet, man findet sie vorwiegend in den Alpen, den Pyrenäen, im Kaukasus, im Balkan, den italienischen Abruzzen, Himalaya, Kaukasus, in Griechenland und Marokko.
Die Alpendohle gehört zur Vogelfamilie der Rabenvögel. Verwandtschaftlich steht sie allerdings der Alpenkrähe näher als der Dohle. Die Alpendohle hat eine Körperlänge von 36 bis 39 cm, eine Flügelspannweite von ca. 65 bis 75 cm und ein Gewicht von 230 bis 290 Gramm. Sie ist ein geselliger und recht tagaktiver Vogel. Ein hervorragender Sänger ist die Alpendohle bei Leibe nicht, man kann eher von einem „Krähen“ sprächen. Dafür verfügt sie über ein reichhaltiges Lautrepertoire und einen kräftigen Stimmapparat. Die bekanntesten Laute klingen nach einem „Zirrr oder Ziieh“. Vor allem der Balzgesang ist sehr beeindruckend, da schlägt die Alpendohle mal leisere und stärkere Laute an. Obwohl: Von Lauten kann man eigentlich nicht sprechen, es ist eher ein „Babbeln“, ein miteinander Plaudern.
Die Alpendohle ist ein sehr guter Flugkünstler und nutzt geschickt die unterschiedlichen Luftströmungen zum Gleiten aus. Besonders bei Aufwind zeigt sie ihre hervorragende Gleiteigenschaft. Ihre Artgenossen verfolgt sie auf spielerische Weise und vollführt dabei die spektakulärsten Flugmanöver. Manchmal stürzt sie sich an hohen, steilen Felswänden mit angelegten Flügeln in die Tiefe und erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometer.
Alpendohlen sind keine Kostverächter. Ihre Speisekarte ist sehr üppig und besteht, je nach Jahreszeit, aus tierischer und pflanzlicher Kost. Im Sommer ernährt sie sich meistens von Insekten, Schnecken, Spinnentieren, Würmern und Ameisen, sogar vor Aas macht sie keinen Halt. Im Herbst und im Winter ernährt sie sich fast vegetarisch, von Beeren, Flechten, Blättern und Obst. Auch Abfälle die Wanderer auf Gasthöfen, Rastplätzen, auf Berg- und Almhütten hinterlassen werden von der Alpendohle nicht verschmäht, sie ist eben ein Allesfresser.
Die Alpendohle ist ein treuer Vogel und lebt dauerhaft in einer monogamen Paarbeziehung. Alpendohlen werden im Alter von 2 bis 3 Jahren geschlechtsreif. Die Paarungszeit beginnt Anfang Mai und endet im Juli. Ihr Nest baut sie in Felsnischen, Felshöhlen oder Felsabsätzen. Alpendohlen brüten in sogenannten Brutkolonien, diese können aus bis zu 20 und mehr Brutpaaren bestehen. Für den Nestbau benutzen sie meistens dünnere Äste, Reisig und kleinere Wurzeln. Alpendohlen legen bis zu 5 Eier, diese werden vom Weibchen bis zu 21 Tage lang gewärmt. Während dieser Zeit versorgt das Männchen das Weibchen mit Nahrung. Die Nahrung für die Küken besteht meistens aus Insekten, Larven und kleineren Wirbeltieren.
Ihr vollständiges Federkleid erhalten die Jungen im Alter von 32 bis 35 Tagen. Kurze Zeit danach sind sie bereits Flugfähig, verbleiben aber bis zum Ende der nächsten Brutzeit bei ihren Eltern. Alpendohlen haben eine Lebenserwartung von ca. 15 bis 20 Jahren. Bisher wurde die Alpendohle noch auf kein er Liste für gefährdete Arten aufgenommen. Fachleute sehen sie allerdings bereits in verschiedenen europäischen Verbreitungsgebieten, besonders im Hochgebirge, als gefährdet an. Den Alpendohlen, wie auch anderen Tierarten, gehen die lebensnotwendigen Nahrungsgründe durch einen immer stärker aufkommenden Tourismus und der fortschreitenden Kultivierung von Weiden und Wiesen verloren.
Der Steinadler
Kreisend und majestätisch gleitet der Steinadler (Aquila) hoch am Himmel über Gebirgskämme und Gipfel. In vielen Kulturen steht der Adler als Symbol für Kraft und Macht, aber auch für Weitblick und Unsterblichkeit und gilt als Herrscher und König der Lüfte. Bereits die Römer trugen ihn als Feldzeichen und man findet ihn auf königlichen Wappen, Münzen und Währungen. Im biblischen Kontext steht er für die Macht und Liebe Gottes. Der Steinadler hat nicht nur als Symbolträger sondern auch als Tier eine bewegende Geschichte aufzuweisen. Heute ist sein Bestand sehr gering und man findet ihn nur noch in den Alpen, Amerika und Teilen Asiens.
Bereits Anfang des 17. Jahrhundert wurde dieser großgewachsene, kräftige Vogel, wie andere Greifvogel- und Tierarten wie Luchse, Wölfe und Braunbären bejagt. Der Mensch sah ihn lange Zeit als Jagdkonkurrent, als Gefahr für die eigenen Nutztiere und als Schädling an. Er wurde systematisch durch den Menschen verfolgt und war bis zu Beginn des 20. Jahrhundert in Deutschland fast ausgerottet. Der Steinadler kennt keine natürlichen Feinde. Selbst größere Adlerarten erreichen nicht die Kraft und Leistung des Steinadlers. Er reißt sogar größere Tiere wie Wölfe und kann Beutetiere bis zu seinem zweifachen Körpergewicht in seinen Horst transportieren.
Steinadler sind sehr anpassungsfähig. Zu ihrem Speiseplan gehört alles fressbares, Reh- und Steinbockkitze, Murmeltiere, kleinere Hirsche, verschiede Vogelarten, sogar Aas. Mit ihren gestochen scharfen Augen können sie noch eine Maus aus tausend Meter Entfernung erkennen. Seine Augen sind ein kleines Wunderwerk der Natur, sie bewegen sich unabhängig voneinander und besitzen anpassungsfähige Linsen die sich auf ihre Umgebung individuell einstellen lassen. Zudem besitzt der Steinadler über 5 Mal so viele Sehzellen, (der Mensch besitzt circa 1000 Sehzellen auf einem Quadratmillimeter) wie ein Mensch. Der Steinadler kann eine Körperlänge bis 100 cm und eine Flügelspannweite bis 230 cm erreichen.
Studien und Funde haben ergeben, dass Steinadler bis zu 30 Jahren und in Gefangenschaft ein hohes Alter von 50 Jahren erreichen können. Steinadlerpaare bleiben ein ganzes Leben zusammen. Sein Horst baut der Steinadler in steile Felswände und auf hohe Bäume, die aus Ästen und Zweigen bestehen und mit Laub ausgepolstert werden. Der Horst wird über mehrere Jahre von einem Steinadlerpaar benutzt und ständig repariert und ausgeweitet. Steinadlerpaare besitzen mehrere Wechselhorste, diese können im Verlaufe mehrerer Jahre eine Höhe und eine Breite von bis zu 2 Metern erreichen.
Die Geschlechtsreife der Steinadler beginnt erst mit sechs Jahren. Im Januar beginnt die Balzzeit, Paarungsvorspiel und Paarungsbindung, die nicht selten von atemberaubenden Balzflügen gekennzeichnet ist. Im März legt das Weibchen im Abstand von drei bis vier Tagen zwei bis drei Eier, die es auch selbst bebrütet. In der Brutzeit, 43 bis 45 Tage, ist das Männchen für die Nahrungsbeschaffung verantwortlich. Bei Nahrungsknappheit kommt es nicht selten zum sogenannten „Kainismus“, dabei tötet das älteste Junge in den ersten Lebenswochen seine jüngeren Geschwister. Sieben Wochen nach der Schlupfzeit sind die Jungvögel erst selber in der Lage, Beute zu zerteilen und nach weiteren 75 bis 80 Tagen in der Lage kürzere Flüge zu unternehmen. Nach fünf weiteren Monaten verlassen die Jungvögel meistens das Revier ihrer Steinadler-Eltern.
Zum Schutz und Arterhaltung des Steinadlers wurden bereits einige nationale und internationale Schutzprojekte ins Leben gerufen. Dazu gehören z. B. das nationale „Steinadler Schutzprojekt im Allgäu“ und das internationale „Steinadler-Monitoring in den Ostalpen“.