Wie ein Stück Himmel – hinabgefallen zur Erde
Wer verbindet den Rheingau nicht zuallererst mit Wein? Der Riesling ist in aller Munde, im wahrsten Sinne des Wortes.
Seit vielen hundert Jahren sind das Klima des Rheingaugebirges, die Lage der Hänge zum Ufer des Rheins hinab und der gute Boden die Basis für reiche Ernten und gute Tropfen. Der Rheingau prägte Qualitätsstandards für Weine in aller Welt.
Von den Orten Flörsheim am Main über Walluf bis Lorch am Rhein, dort, wo der Rhein in einer Biegung seinen Weg von Osten bis nach Westen macht, aalen sich die Weinstöcke in Südhanglage in mehr als 1600 Sonnenstunden jährlich im Regenschatten des Hohen Taunus. Schnurgerade ziehen sich die Weinstöcke die Hänge hinauf, unterbrochen durch quer liegende Wege.
Die Wälder im Rücken halten die Kaltluft auf, sodass vom Frühjahr bis zur Ernte im Herbst die milden Temperaturen stabil bleiben. Durch das Wasser des Rheines als Wärmespeicher und idealen Böden aus Schiefer, Quarz und Sand findet der Wein ideale Bedingungen.
Von Wiesbaden kommend, mündet hier die Bundesstraße 42 in die Rheingauer Rieslingroute oder den Rheinischen Sagenweg, der unmittelbar am rechtsrheinischen Ufer entlangführt.
Wer mit dem Auto in westlicher Richtung im Rheingau unterwegs ist, tangiert bis Lorch am Rhein eine Reihe der großen und kleinen Orte unterhalb der Weingüter, deren Hänge sich vom Tal bis in die leichten Höhen des Rheingaugebirges strecken.
Die Kloster- und Weingutanlage „Schloss Johannisberg“ in der Gemarkung Geisenheim thront, mit dem Neuem Kloster, weithin sichtbar auf dem Berg. Es scheint, als überwache es den Rheingau.
Die Statue des Spätlesereiters im Innenhof des Schlosses soll an die Entstehung der „Spätlese“ erinnern. Der Legende nach entstand das Qualitätsmerkmal „Spätlese“, weil ein Bote aus Fulda seinerzeit zu spät die Genehmigung der Weinlese überbrachte und die Beeren nun zu spät geerntet werden konnten. Wie so oft entstand auch hier per Zufall etwas Wunderbares: Ein Wein, der die Rheingauer Weine zu Weltruhm verhalf.
Nicht ohne Grund hat sich hier das Weingut der Hochschule Geisenheim etabliert. Die 1872 als Königlich Preußische Lehranstalt für Obst- und Weinbau gegründete Bildungsstätte hat heute den Status einer Universität mit Bachelor- und Masterstudiengängen in Weinbau, Weinwirtschaft und Umwelttechnologie.
Geschichtliches
Die exzellente Lage der Hänge des Rheingaugebirges am rechtsrheinischen Ufer und im Schutz des Taunus vor kaltem Nordwind brachte der Region eine über 1200 Jahre alte Weinkultur.
Der Legende nach soll Karl der Große bei der Ausschau von seinem Sitz auf der Pfalz linksseitig des Rheins aus über den Fluss bemerkt haben, dass im Frühjahr der Schnee früher schmolz als an seiner Seite des Rheinufers. Ob er tatsächlich als Förderer des Weinbaus der rechtsrheinischen Region Gutes tat, ist nicht eindeutig belegt.
Tatsache ist, dass zu dieser Zeit der Weinanbau auflebte.
Historisch belegt, waren es eher die Mönche in den zahlreichen Klöstern, die sich um die Entwicklung der Weinkultur im Rheingau verdient gemacht haben. Sie ließen die Hänge roden und schufen Platz für die Weinreben. Die Mönche bauten nicht nur an, sondern sorgten auch für den Verkauf. So machte sich der Rheingau einen Namen und wurde über seine Grenzen bekannt.
Der Rheingau ist geprägt durch den Weinanbau und mit ihm die Geschichte der Kirche vom frühen Mittelalter, mit ihren Klöstern, Gütern und Schlössern reicher Adliger.
Der heute geschätzte und einzigartige Riesling des Rheingaus sind auf die Anfänge der Kultivierung im Jahre 1435 einer damals unbekannten Rebsorte durch den Grafen Johann IV. von Katzenelnbogen zurückzuführen.
Von der Landschaft und wohl auch vom Wein berauscht, schwärmten Dichter und Denker des 18. und 19. Jahrhunderts vom Rheingau als „Thron des deutschen Bacchus“ (Johann Caspar Riesbeck), als „Lustgarten der Natur“ (Heinrich von Kleist) oder gar vom „Stück Himmel, hinabgefallen zur Erde“(Johann Isaac Freiherr von Gerning).
Auch Goethe zog es mehrmals in den Rheingau. Natürlich verliebte er sich dort – nicht nur in Maximiliane von La Roche; auch sein Lieblingswein, der Johannisberger hatte sein Herz erobert.
Auch wenn Kriege die Region mit Zerstörungen heimsuchten und vieles an kulturellem und wirtschaftlichem Gut vernichtete, die Region erstand immer wieder von Neuem. Sie wuchs und entwickelte sich als Eldorado des Rieslings. Schließlich liegt seine Wiege auf Schloss Johannisberg und im Kloster Eberbach.
Urlaub für jeden Geschmack
Ob Radwandern oder per Pedes – an Wanderwegen gibt es eine Menge. Dabei fällt die Auswahl nicht leicht, denn das Angebot reicht von anspruchsvollen, längeren Strecken für sportlich Ambitionierte bis zu kurzen Distanzen für jedermann. Gut ausgeschilderte, leicht begehbare Wanderwege, vorbei an Gipfeln mit weniger als 200 Meter Höhe durchziehen die reizvolle Landschaft des Rheingaus.
Nahe den zahlreichen Weingütern laden Weinprobierstände zum Verweilen und Probieren ein.
Der Blick hinunter zum Rhein oder vom Ufer des Flusses hinauf – die Rheinromantik wird ihrem Ruf bereits hier gerecht.
Per Schifffahrt von Eltville bis nach Lorch beeindrucken die Weingebiete des Rheingaus aus dieser Perspektive in ihrer Gesamtheit der Fläche von über 3000 Hektar noch mehr.
Wer das Schiff am Anleger Rüdesheim verlässt, erreicht per Fuß sein Urlaubsdomizil über einen der vielen Wege zurück. Da die Mitnahme von Fahrrädern auf dem Schiff möglich ist, lassen sich auch weitere Entfernungen gut bewältigen.
Sehenswürdigkeiten
Zahlreiche Baudenkmale der Klosterkultur, adlige und wohlhabende Familien mit majestätischen Wohnsitzen und Straßen und Plätze der Ortschaften sind Zeugen der über 1000-jährigen Geschichte und der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Einige sollen hier als Impulsgeber erwähnt werden:
- Eltville am Rhein – An der Wein-Sekt- und Rosenstadt kommt man nicht vorbei. Der Besuch der historischen Altstadt kommt einer Zeitreise gleich. Die mittelalterlichen Fachwerkbauten und prunkvollen Adelshöfe faszinieren genauso wie die Rheinpromenade entlang duftender Rosen und schattenspendender Platanen. Das Kloster Eberbach vor den Toren der Stadt ist Hessens bedeutendster mittelalterlicher Kunstkomplex.
- Kernstück des Schlosses Vollrads bei Oestrich-Winkel ist der 1333 erbaute klotzige Wohnturm inmitten eines quadratischen Gewässers. Hier war über 300 Jahre der Wohnsitz der Familie von Greiffenclau.
Als eines der ältesten Weingüter wird es seit 1211 bewirtschaftet. Heute bietet es seinen Besuchern Leckeres der regionalen Küche, Weinproben und Wein-Genuss-Wanderungen. Wer sich auf eine nächtliche Tour bei Vollmond einlassen will, kann der Einladung zu einem „Vollradser sundowner“ auf der Hofterrasse folgen. Kunst und Kultur in den Räumen des Weingutes verbinden sich hier mit Kulinarik zu einem ganzheitlichen Erleben. Kein Wunder, schließlich war 1814 auch Johann Wolfgang von Goethe hier zu Gast.
- Die Boosenburg bei Rüdesheim gilt als Tor zum Oberen Mittelrheintal. Der Bergfried aus dem 9. Jahrhundert zählt zum Weltnaturerbe Rheinschlucht.
Das Weingut an der Boosenburg hat durch den Winzer Dr. Carl Jung zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen alkoholfreien Wein entwickelt. In der Überzeugung, Wein brauche Geschmack und keinen Alkohol, bietet er all denen, die auf Alkohol verzichten möchten, zum Essen ein Stück Lebensqualität und einen Begleiter für feierliche Momente, auf die man gemeinsam anstoßen möchte.
- Von der Rüdesheimer Altstadt aus gelangt man bequem mit der Seilbahn über die Reben hinweg zum Niederwalddenkmal – ein 38 Meter hohes Monument. Die Germania, mit Kaiserkrone und Reichsschwert in der Hand, steht für die Wiedererrichtung des deutschen Kaiserreiches nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871.
- Wie zum Wallfahrtskloster Marienthal ziehen viele Pilger nördlich von Rüdesheim zum Wallfahrtsort Nothgottes, um sich beim Niederknien vor der kleinen, fast unscheinbaren Figur aus dem 14. Jahrhundert Kraft zu holen. Immer am 1. Sonntag im September führt eine einwöchige Fußwallfahrt von Kruft in Rheinland-Pfalz nach Nothgottes.
- Lorch am Rhein im westlichen Rheingau am Ufer des, das Städtchen zählt bereits zum UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal. Die kleine Stadt mit mittelalterlichem Stadtkern und zahlreichen Fachwerkbauten ist der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen.
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen (Sokrates)
Unterkünfte für die Nächte gibt es im Rheingau für jeden Geldbeutel: Von luxuriös bis einfach – der Rheingau überzeugt stets mit Gastgeberqualitäten. Der lustige und gesellige Charakter der Menschen hier begegnet Fremden mit neugieriger, liebevoller Aufgeschlossenheit.
Das ist auch in den Wirtschaften und Restaurants zu spüren.
Die Glorreichen Rheingautage werden seit 1987 als Tradition in der Zeit der nach dem Ende der Weinlese gepflegt. Weingüter bringen das Beste aus Keller und Küche auf den Tisch, gemeinsames Essen als Ausdruck von Lebensfreude wird zelebriert. Passend zur Jahreszeit werden Wildbretgerichte serviert – und natürlich Wein der Region. Winzer anderer Regionen sind als Gäste herzlich willkommen; sie haben ihren Lieblingswein im Gepäck.
Das Rheingau Gourmet & Wein Festival findet jährlich im Frühjahr statt. An 14 Tagen präsentieren sich in 50 Veranstaltungen die Besten der nationalen und internationalen Kochkunst und berühmte Winzer ihre Weine.
Bescheidener, aber genauso lust- und geschmacksintensiv sind die Angebote der Straußenwirtschaften und Gutsschänken der Winzer, die ihre eigenen Weine ausschenken.
Dazu gibt es Regionaltypisches für den Hunger wie „Spundekäs`“, „Handkäs` mit Musik“ oder Wisperforelle.
Mit allen Sinnen – der Rheingau als ganzheitlicher Genuss
Musikliebhaber aller Genres kommen im Rheingau-Musik-Festival auf ihre Kosten.
An verschiedenen Austragungsorten sind im Rheingau-Sommer sowohl Künstler des Jazz, Virtuoses am Klavier und klassischen Streichinstrumenten als auch Chöre verschiedener musikalischer Richtungen zu erleben.
Besondere Highlights bietet die kurfürstliche Burg der Stadt Eltville und das Ambiente des Klosters Eberbach in Eltville. Konzerte in der Basilika, im Laiendormitorium oder Aufführungen unter freiem Himmel im Kreuzgang werden zu einem unvergessenen Erlebnis.
weiter Eindrücke aus dem Rheingau:
Neben der jährlichen Traubenernte findet im Herbst seit 1993 das Rheingau-Literatur-Festival statt. Ausgewählte Kelterhallen, idyllische Weingüter, Burgen und Schlösser erwarten Freunde der Literatur zum Austausch mit Autoren von Erlesenem des Jahres.
Ganztägige geführte Weinwanderungen verbinden das Naturerlebnis, literarische Genüsse mit Gaumenfreuden.
Wenn das Sommerhalbjahr zu Ende geht, ist der Aufenthalt im Rheingau besonders reizvoll. Die hier immer noch warmen Sonnenstrahlen des Spätherbstes tauchen die Natur in weiche Farben, wirken beruhigend und entschleunigen. Die Atmosphäre der Weinlese verführen zum Verweilen und Genießen. Mit Kräften aufgetankt, lassen sich die tristen Novembertage zu Hause mit den Erinnerungen an einen der schönsten Flecken Deutschlands gut überstehen. Glück für den, der den Rheingau als Einstimmung auf die folgende Zeit des Jahresabschieds erlebt hat.