Reisevertragsrecht & Co. – Wann müssen Kosten erstattet werden?
Verlängerte Liegezeiten in den Häfen aufgrund technischer Probleme, extreme Wetterlagen, Überbuchungen .. es gibt viele verschiedene Gründe für ausgefallene Landausflüge, Verzögerungen, Routenänderungen und andere Ärgernisse auf Kreuzfahrt. Als Urlauber stellt man sich natürlich die Frage, was die Reedereien als Reisemangel anerkennen und welche Regelungen der Gesetzgeber dazu geschaffen hat.
Bis vor einigen Jahren gab es noch ganz unterschiedliche Regelungen, doch seit 2012 gilt die EU-Regelung Nr. 177/2010, in der die Rechte von Passagieren in vielen Punkten eindeutig festgehalten wurden. Zudem gilt ab dem 1.7.2018 ein neues Reisevertragsrecht, das auch bei Kreuzfahrten Anwendung findet. Hier wollen wir die wichtigsten Fragen zum Thema Reisekostenerstattung bei Reisemängeln für Kreuzfahrten beantworten.
Was gilt als Reisemangel?
Von einem Reisemangel spricht man immer dann, wenn der Reisende weniger Leistungen erhält, als er mit dem Reiseveranstalter vereinbart hat. Die Details der Vereinbarung können aus dem Reiseprospekt, der Reisebestätigung oder dem ortsüblichen Gebaren entnommen werden. So kann beispielsweise ein Reisemangel vorliegen, wenn das Personal kein Deutsch spricht und in der Reisebeschreibung aber deutschsprechendes Personal zugesichert wurde. Eine zeitnahe, schriftliche Anzeige (Abhilfeverlangen) des Reisemangels beim Veranstalter ist die sinnvollste Vorgehensweise, denn so kann später das fristgerechte Anzeigen des Mangels nachgewiesen werden. Wichtig zu wissen ist auch, dass ein grober Mangel unverzüglich gemeldet werden muss, denn je größer ein Reisemangel ist, desto kürzer ist auch die Frist. Dem Reiseveranstalter muss schließlich die Möglichkeit zu einer Behebung des Mangels gegeben werden.
Bei der Anzeige eines Reisemangels kann der Passagier auf die Beseitigung des Mangels bestehen oder auf eine gleichwertige Ersatzleistung, deren Kosten der Veranstalter tragen muss. Bis zur Beseitigung des Mangels hat der Passagier einen Anspruch auf Preisminderung, einen Schadenersatz oder sogar auf die Kündigung des Reisevertrags.
Unannehmlichkeiten nach dem gültigen Reiserecht
Auf einer Kreuzfahrt gehört Wellengang zur Normalität und auch bei einem Sturz sieht der Gesetzgeber das allgemeine Lebensrisiko und spricht von einer Unanehmlichkeit, die nicht als Reisemangel geltend gemacht werden kann. Störende Mitreisende oder nächtelange Partys an Deck sind ebenfalls kein Reisemangel, denn vor der Buchung kann jeder Gast sehen, wo seine Kabine auf dem Schiff liegt und bei Buchungen ohne Kabinenwahl muss dieses Risiko einkalkuliert werden. Wenn allerdings statt einer gebuchten Außenkabine eine Innenkabine bezogen werden muss, sieht der Gesetzgeber eindeutig einen Reisemangenl. Lärm beim An- und Ablegen zählt allerdings als hinzunehmende Unanehmlichkeit, ebenso wie Dieselgeruch an Deck bei älteren Schiffen.
Wie melde ich einen Reisemangel auf Kreuzfahrt?
Um einen Reisemangel möglichst genau zu melden, sollte er mit Zeitpunkt und Details schriftlich festgehalten werden. Das formlose Mängelprotokoll mit möglichst vielen Angaben muss dann vom Ansprechpartner vor Ort unterschrieben werden. Fotos, Ton- oder Videoaufnahmen können viele Details belegen, falls später ein Rechtsstreit folgt. Namen und Adressen von ebenfalls betroffenen Mitreisenden oder Zeugen unterstützen die eigene Aussage sinnvoll. Kleinere Ärgernisse lassen sich oft direkt mit dem Servicepersonal besprechen und im Anschluss direkt klären. Beim Reisveranstalter selbst muss eine Mängelanzeige in der Regel bis spätestens einem Monat nach Reiseende erfolgen, damit der Anspruch auf Entschädigung nicht erlischt.
Wohin kann ich mich wenden, wenn die Reederei meine Beschwerde abweist?
In den meisten Fällen sind die Reedereien sehr bemüht und versuchen einen angezeigten Reisemangel zu beheben. Sollte sich der Reiseveranstalter allerdings völlig uneinsichtig zeigen, kann die Beschwerde auch über ein Bundesamt eingereicht werden.
Beim Eisenbahn-Bundesamt gibt es eine Stelle, die sich mit den europäischen Fahrgastrechten im Bereich der Schifffahrt beschäftigt. Das Bundesamt stellt online auch ein Beschwerde-Formular zum Download bereit.
Beispiele & Urteile für verschiedene Reisemängel bei Seereisen
Defekte Stabilisatoren rechtfertigen eine 50-prozentige Minderung des anteiligen Tagespreises für jede gestörte Nacht. Das hat das Amtsgericht Frankfurt im Jahr 2005 so entschieden.
Das Amtsgericht in München hat 2015 entschieden, dass der Reisepreis um 30 Prozent gemindert werden kann, wenn anstelle einer Kreuzfahrt durch das Schwarze Meer das Mittelmeer befahren wird.
Fällt ein eintägiger Landgang aus, weil der Hafen nicht angelaufen wird, kann der Reisepreis anteilig um diesen Tag gemindert werden und natürlich muss die Reederei etwaige Kosten für gebuchte Ausflüge an Land erstatten. Das entschied das Amtsgericht Rostock im Jahr 2013. Wird ein Ersatzhafen angelaufen, können immerhin noch bis zu 50 Prozent des anteiligen Tagespreises als Minderung geltend gemacht werden.
Verspätung bei der Abfahrt
Es kommt nicht oft vor, aber natürlich kann sich auch der Start in den Traumkreuzfahrt verschieben. Ein verspätetes Flugzeug mit Gästen, die ihren Flug über die Reederei gebucht haben, ist einer der bekanntesten Gründe für ein spätes Auslaufen. Wenn ein Schiff erst mit mehr als 90 Minuten Verspätung ausläuft oder eine Kreuzfahrt gar nicht angetreten werden kann, gelten folgende Möglichkeiten:
- Bei einer Transreise muss auf Wunsch eine alternative Beförderung zum Endziel angeboten werden und das ohne Preisaufschlag. Zusätzlich kann noch wegen entgangener Urlaubsfreuen ein Anspruch auf Entschädigung bestehen.
- Bei Rundreisen muss die Reederei die Erstattung der Reisekosten veranlassen, wenn der Passagier dies wünscht. Zudem muss eine kostenlose Rückfahrt zum Abfahrtsort angeboten werden und auch hier kann wegen entgangener Urlaubsfreuden geklagt werden.
Verspätung am Endziel
Kommt ein Schiff zu spät im Endhafen an, gilt eine gestaffelte Tabelle. Ein Anspruch auf Entschädigung leitet sich aus folgenden Zeitfenstern ab:
Geplante Fahrzeit | Verspätung |
1 -4 Stunden | 1 Stunde |
4 – 8 Stunden | 2 Stunden |
8 – 24 Stunden | 3 Stunden |
Mehr als 24 Stunden | 6 Stunden |
Läuft ein Schiff also mit 3 Stunden Verspätung in einen Hafen ein und das bei einer geplanten Fahrzeitdauer von 8 – 24 Stunden, so hat der Passagier einen Anspruch auf 25 % Preisminderung. Kommt es zu noch größeren Verzögerungen und die Verspätungen für ein Zeitfenster verdoppeln sich, können als Reisemangel sogar bis zu 50 % geltend gemacht werden.
Routenänderungen während der Kreuzfahrt
Aufgrund von politischer Veränderungen oder wegen eines Wetterumschwungs kann es vorkommen, dass die Route einer Kreuzfahrt verändert werden muss. Als Passagier hat man in jedem Fall ein Recht auf Preisminderung, wenn ein geplanter Hafen gar nicht angelaufen werden kann. Der Grund für das Auslassen eines Hafens spielt für die Preisminderung keine Rolle und die Reederei muss diesen auch nicht mitteilen. Allerdings entsteht kein zusätzlicher Anspruch auf eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden, wenn der Reiseveranstalter keine Verantwortung für das Nichtanlaufen eines Hafens trägt und daher nennen die Reedereien in diesem Fall oft von sich aus die Gründe für die Änderung der Route. Sollte eine Reederei den Grund nicht nennen, liegt der Gedanke nah, dass ein Eigenverschulden vorliegt und damit auch ein Reisemangel, der vor Gericht geklärt werden kann.
Kreuzfahrt abgesagt wegen technischer Probleme – wer haftet?
Bei technischen Problemen geht man normalerweise davon aus, dass der Veranstalter schuldhaft gehandelt hat. Daher steht dem Passagier einer abgesagten Kreuzfahrt wegen technischer Probleme eine volle Erstattung des Reisepreises zu. Zusätzlich entstehen Schadenersatzansprüche, wie zum Beispiel für gebuchte Flüge, entgangener Urlaubsfreuden oder für Mehrkosten für eine Umbuchung der Reise.
Weitere Urteile zu Reisemängeln auf Kreuzfahrt
Eine Tabelle des ADAC liefert noch weitere Anhaltspunkte zum Thema Reisemangel auf Kreuzfahrt. Hier werden konkrete Beispiele aus den vergangenen Jahren mit Aktenzeichen genannt. Obwohl Kreuzfahrten immer beliebter werden, steigt die Zahl der Verfahren nicht expotenziell an und eine Finanzzeitschrift hat herausgefunden, dass mehr als 80 % der Kreuzfahrer zu zufriedenen Wiederholungstätern werden. Der nächsten Kreuzfahrt ohne Reisemangel steht als nichts im Wege.