Prag, die Stadt der hundert Türme, ist ein Mythos voller Geschichte und Geschichten. Die Stadt an der Moldau zählt zu den beliebtesten Reisezielen in Europa. Zwischen Hradschin und Vyšehrad liegt die berühmte Altstadt, die zum Welterbe der UNESCO gehört. Geprägt von gotischen und barocken Bauten, strahlt sie eine einzigartige Atmosphäre aus.
Einen ersten Eindruck vermittelt der Blick vom Pulverturm. 186 Stufen führen über die aus dem Jahr 1592 stammende Wendeltreppe zur Aussichtsplattform. Einst Teil der Stadtmauer ist der Turm heute ein Solitär. Sein fast identisches Pendant ist der Brückenturm an der Karlsbrücke. Die ganze Stadt hat etwas Märchenhaftes. Einst ließ Kaiser Karl IV. die Türme der Prager Burg vergolden. Durch ihre Gassen eilten Alchemisten. Im Goldenen Gässchen hatten die Goldschmiede ihren Sitz … Noch heute umweht das Goldene Prag ein geheimnisvoller Zauber.
Geschichte und Geschichten
Bis ins 8. Jahrhundert hinein reicht die Geschichte der Stadt Prag. Wer auf den Hradschin steigt, steht auf ältestem mittelalterlichem Grund. Das böhmische Herrschergeschlecht der Přemysliden errichtete hier seine Burg und später die ersten Kirchen. Schon im 10. Jahrhundert wird Prag als Steinerne Stadt gefeiert und gilt als Mutter aller Städte.
Die Stadt an der Moldau
Unter Wenzel I. erhielt Prag Anfang des 13. Jahrhunderts Stadtrecht. Die perfekte Lage an der Moldau ließ die Residenzstadt der böhmischen Könige zu einem bedeutenden Handelszentrum werden. Links und rechts der Moldau siedelten die Kaufleute. Brücken waren darum essenziell. Eine der ältesten ist die Karlsbrücke, deren Bau 1357 von Karl IV. initiiert und 1402 beendet wurde. Die mächtige steinerne Brücke war ein Meisterwerk der damaligen Zeit und beeindruckt noch heute allein durch ihre Größe.
Kampf der Religionen und Geburt einer Nation
In die Zeit der Regentschaft Karls IV. fällt auch die Gründung der berühmten Karls-Universität. Eine Besichtigung des Collegiums Carolinum lohnt sich. Man steht vor der ältesten Universität Mitteleuropas. Kaiser Karl regte eine immense Bautätigkeit an, die Prag bis heute prägt. Das taten auch die Religionskriege unter den Hussiten. Jan Hus, heute ein Nationalheiliger, kritisierte Macht und Reichtum der Kirche und trat für Reformationen ein. Er predigte in tschechischer Sprache und trug wesentlich zur Begründung eines tschechischen Nationalgefühls bei. Er wurde als Ketzer zusammen mit seinen Schriften 1415 in Konstanz verbrannt.
Habsburger Schmelztiegel
Nach der Befriedung regierten seit dem 16. Jahrhundert für lange Zeit die Habsburger in Prag. Mit ihnen kamen verschiedene Nationalitäten nach Prag. Deutsche, Böhmen, Tschechen und Juden bestimmten das Bild der Kaiserstadt. Berühmte Wissenschaftler der Zeit, wie der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler, fanden sich an Hof und Universität ein. Der Kaiser begründete eine bedeutende Kunstsammlung.
Die Blütezeit endete abrupt mit dem Prager Fenstersturz, der den Dreißigjährigen Krieg auslöste, indem sich Protestanten und Katholiken auf grausamste Art bekämpften. Auf der Prager Burg, im Seitenflügel des Alten Königspalastes, steht man an dem Ort, an dem am 23. Mai 1618 die böhmischen Protestanten die katholischen Statthalter aus dem Fenster warfen. Mit der Besetzung der Burg durch die Schweden endet der Krieg 1648, genau dreißig Jahre später.
Das moderne Prag
Im 19. Jahrhundert wurde Prag modern. Neben dem Erstarken des tschechischen Nationalbewusstseins in Abgrenzung zu Deutschen und Österreichern brachte die Industrialisierung bedeutende Veränderungen. Prag wurde größer.
Die Bevölkerung nahm zu. Im Habsburger Reich als Vielvölkerstaat definierte sich Prag im Gegensatz zu Wien als zunehmend pro-tschechisch. Das mündete nach dem Ersten Weltkrieg in der Selbständigkeit als Hauptstadt der Tschechoslowakischen Republik, bis es im Zuge des Zweiten Weltkriegs zu einer Besetzung durch die Deutschen kam.
Von Rudolf Slánský zu Václav Havel
Nach einer kurzen Renaissance war es der Kommunismus, der die Tschechoslowakei und Prag beherrschte. Rudolf Slánský, Generalsekretär der Kommunistischen Partei, war ein frühes Opfer. Im Pankrác-Gefängnis, heute eine Gedenkstätte, wurde er hingerichtet. Dem nach harten Kämpfen einsetzenden Prozess der Demokratisierung machte die Niederschlagung des Prager Frühlings ein Ende.
Erst mit dem Niedergang des sozialistischen Blocks kam es nach 1989 zu einer Aufarbeitung der Geschichte und einem neuen Erblühen der Stadt. Mit der Samtenen Revolution wurde der Dichter Václav Havel Präsident. Heute gehört Prag als Hauptstadt Tschechiens zu den zehn reichsten Regionen Europas und einer der beliebtesten Touristenstädte.
Ein Tag auf dem Hradschin
Die Prager Burg gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Hier auf dem Hradschin wurde Geschichte geschrieben. Zusammen mit dem Veitsdom ist die Burg nicht nur ein Wahrzeichen Prags, sondern ein nationales Symbol. Die zweitgrößte geschlossene Burganlage der Welt bietet faszinierende Einblicke in architektonische und historische Epochen. Bis heute ist sie Sitz des tschechischen Präsidenten.
Insgesamt umfasst der Hradschin etwa 7 Hektar. Neben Burg und Veitsdom befinden sich hier das erste Kloster des Landes, die St. Georgs-Basilika und im Außenbereich das berühmte Goldene Gässchen. Allein die Burg mit ihren mehreren Höfen lässt sich kaum an einem Tag besichtigen. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören:
- der Ehrenhof im klassizistischen Stil mit der Statuengruppe der ringenden Giganten
- der Mrákotíner Monolith, ein Obelisk zum Gedenken an die Opfer im Ersten Weltkrieg, im ersten Burghof gleich neben dem Veitsdom
- das barocke Matthiastor von 1614 im zweiten Burghof
- der barocke Königspalast im zweiten Burghof
- die barocke Heilig-Kreuz-Kapelle im zweiten Burghof
- die barocke Burggalerie im zweiten Burghof mit Werken von Rubens, Tizian und anderen
- der Alte Königspalast mit dem gotischen Vladislavsaal im dritten Burghof
Zur Burg hinauf kommt man zu Fuß über die Alte Schlosstreppe, mit der Straßenbahn oder sogar mit der berühmten Prager Metro. Betritt man die Anlage über den Hradschiner Platz, steht man direkt vor dem Hauptportal und folgt dem Krönungsweg der böhmischen Könige. Er führt durch den später von Maria Theresia angelegten Ehrenhof mit seinem berühmten Eingangsportal. Verschiedene Palais säumen den Platz. Ein Highlight ist die Wachablösung zu jeder vollen Stunde. Am besten besucht man einzelne Gebäude auf der Burg und nimmt sich ausgiebig Zeit.
Unterwegs mit Rabbi Löw und Franz Kafka
Der Alte Jüdische Friedhof zählt zu den bedeutendsten ganz Europas. Besonders berühmt ist das Grab von Rabbi Löw. Er soll den Golem erschaffen haben. Das aus Lehm gefertigte Wesen brachte er auf magische Weise zum Leben. Viele Legenden ranken sich um den Golem. Zu Hilfsdiensten im Haus und zur Verteidigung der jüdischen Gemeinde sei er herangezogen worden. Als er versehentlich außer Rand und Band geriet, habe Löw ihn vernichten müssen. Zum Leben erweckt wurde der Golem durch einen Zettel, den ihm Löw unter die Zunge legte. Darauf gründet vermutlich der bis heute gepflegte Brauch, am Grab des Rabbis einen Wunschzettel zu hinterlassen.
1787 fand die letzte Bestattung auf dem Alten Jüdischen Friedhof an der Pinkas-Synagoge statt. Dann wurde der Neue Jüdische Friedhof errichtet. Da Gräber im Judentum nicht eingeebnet werden dürfen, finden sich auf dem Alte Jüdischen Friedhof mehrere Schichten und malerisch angeordnete Grabstätten.
Das Jüdische Viertel
Das Jüdische Viertel im Norden der Prager Altstadt bietet noch mehr Sehenswertes. In der Klausen-Synagoge, ebenfalls gleich am Alten Friedhof gelegen, gibt es eine Ausstellung zu Leben, Sitten und Gebräuchen der Juden. In der Spanischen Synagoge mit ihren wunderschönen Glasfenstern finden regelmäßig Konzerte statt. Im ehemaligen jüdischen Krankenhaus befindet sich heute die Robert-Guttmann-Galerie.
Kafka & Co
Das Geburtshaus des Schriftstellers Franz Kafka ist nicht mehr erhalten. Ein Relief erinnert an den Dichter. Man findet es an dem Platz, der heute seinen Namen trägt. Die Familie Kafkas wohnte nur noch kurz dort und zog bald an den Wenzelsplatz. Folgt man den Spuren des Schriftstellers, kommt man vom Jüdischen Viertel über die Mánesův-Brücke auf die Kleinseite und spaziert an der Nationalgalerie vorbei bis zum Goldenen Gässchen.
In der Hausnummer 22 lebte und arbeitete Franz Kafka mehrere Jahre lang. Nur ein paar Hausnummern entfernt, in der Nummer 12, lebte eine ganze Reihe literarischer Giganten wie Vítězslav Nezval, František Halas und Jaroslav Seifert, der spätere Nobelpreisträger.
Auf ein Bier mit Jaroslav Hašek
Wer die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk liebt, sollte in der Neustadt nicht versäumen, am Geburtshaus seines Schöpfers Jaroslav Hašek in der Školská 1325/16 vorbeizuschauen. Dort findet sich eine Porträtbüste des Schriftstellers. In der Kneipe U Kalicha soll er sein Bier getrunken haben. Heute treffen sich hier in der Na Bojišti 12-14 Schwejk-Freunde aus aller Welt und stoßen auf den Autor an.
Wunderwelt Prag: Von der Astronomischen Uhr bis zum Wenzelsplatz
Vor dem Altstädter Rathaus sammeln sich die Menschen und recken staunend die Köpfe in die Höhe. Der Tod läutet das Glöckchen und der Zug setzt sich in Bewegung. An den Fenstern ziehen sie vorbei, zu jeder vollen Stunde zwischen 9.00 und 22.00 Uhr. Alle zwölf Apostel sind zu sehen. In der Mitte schaut ein Sandsteinengel zum Himmel empor, über ihm steht ein goldener Hahn.
Flankiert werden die wandelnden Figuren von der Eitelkeit und der Habsucht, vom Sensenmann mit Sanduhr und Glocke, von der Wollust, vom Philosophen und dem Engel mit dem Flammenschwert, dem Astronomen und dem Chronisten. Ist der Zug vorbeigezogen, kräht zum Abschluss der goldene Hahn und die Stunde wird geschlagen.
600 Jahre alt sind Geh- und Zeigerwerk. Die Astronomische Uhr wurde nicht nur optisch erhalten. Sie ist ein Denkmal historischer Meisterschaft und mechanischer Kunstfertigkeit. Lange glaubte man, Meister Hanuš habe die Uhr zusammen mit einem Gehilfen gebaut. Erst im 20. Jahrhundert kam man auf die eigentlichen Erbauer: den Mathematiker Johannes Schindel und den Uhrmacher Nikolaus von Kaaden.
Später wurde die Uhr immer wieder erweitert, bis sie Mitte des 16. Jahrhunderts vollständig war. Erst ab dem 17. Jahrhundert kamen die Figuren hinzu.
Etwa 10 Minuten sind es vom Rathausturm bis zum Wenzelsplatz. Im Museum der fantastischen Illusionen setzt sich das Staunen fort. Eine magische Welt optischer Täuschungen erwartet den Besucher.
Wieder zurück in der Realität geht es weiter in die Mitte von Prag, auf den Wenzelsplatz. Zentral steht hier das Reiterdenkmal. Der König wird von den vier böhmischen Heiligen Adalbert, Agnes, Ludmilla und Prokop umringt. Insgesamt 7,2 Meter ist das Wahrzeichen Prags hoch. Hier trifft man sich und kann zum Beispiel eines der vielen Cafés einkehren.
Hier fand der Prager Frühling sein blutiges Ende. Hier wurde die Samtene Revolution vom Balkon des Hauses 56 ausgerufen. Das Wunder Prag ereignet sich immer wieder. Blühen die Tulpen in den Rabatten, erwacht die Stadt zu neuem Leben und zeigt ihre auch immer wieder jugendlichen Seiten.